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Vom Zückerchen Zum Täglichen Werkzeug

Lesetipp zum Thema: "Vom Zückerchen zum täglichen Werkzeug" - Artikel von Peter Suter (PHZH), erschienen in der Bildungsbeilage der NZZ vom 25. März 2003


Vom Zückerchen zum täglichen Werkzeug

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Vorbereitung von Lehrpersonen auf den Computereinsatz

Bei der sinnvollen Integration des Computers in den Unterricht an der Volksschule sind neben den bekannten pädagogischen Vorbehalten auch technische und didaktische Fallen zu umgehen. Der Autor dieses Beitrages hat unter anderem aus eigener Unterrichtserfahrung Konzepte entsprechender Weiterbildungsangebote mit entwickelt.

Von Peter Suter, Zentrum für Medienkompetenz, Pädagogische Hochschule Zürich 25. März 2003, 07:37, Neue Zürcher Zeitung

Seit einigen Jahren ist es erklärtes Ziel vieler Bildungsfachleute und Politiker, den Computer als Werkzeug in den Schulalltag zu integrieren. Ausdruck davon sind Initiativen wie Public Private Partnership ( http://www.ppp-sin.ch) und der Schweizer Bildungs-Server ( http://www.educa.ch). Informatikunterricht wurde in Lehrpläne integriert. In vielen Schulen wurden Informatikkonzepte erstellt, Hard- und Software beschafft, Weiterbildungen initiiert. In immer mehr Schulzimmern stehen Computer, viele Lehrkräfte verfügen über grundlegende Computerkenntnisse für den Eigengebrauch.

Tatsache ist, dass in den Schulen des Kantons Zürich - ähnlich wie in anderen Kantonen - zwar an vielen Orten Computer in Schulzimmern und Informatikräumen vorhanden sind, aber noch zu wenig in den Schulalltag integriert werden. (DiskussionIntegration)

Drei Möglichkeiten sinnvollen Einsatzes

Was muss man sich unter sinnvollem Einsatz des Computers in der Schule vorstellen?

Man kann drei sich überlappende Felder unterscheiden. Bei einem gegen aussen, in die Zukunft gerichteten Einsatz geht es um den Computer als Werkzeug für die berufliche, politisch-gesellschaftliche und private Nutzung. Beim Lernen, Einüben und Anwenden der entsprechenden Kulturtechnik geht es auch um Chancengleichheit, um sozialen Ausgleich (Kinder ohne Computer zu Hause, Genderthematik). Die vermittelten Kompetenzen müssen unter dem Aspekt beurteilt werden, ob sie für die weitere Entwicklung der Schülerinnen und Schüler relevant sind.

Bei einem gegen innen gerichteten Schuleinsatz geht es darum, den Computer als pädagogisches Werkzeug einzusetzen - als ein Werkzeug, das den Lernprozess unterstützt und beim Finden von Erkenntnissen, beim Einüben, beim Präsentieren der Ergebnisse hilft. Differenzierte pädagogische Überlegungen sind dabei wichtig. Ein Beispiel: Schreiben an der Tastatur trennt den Schreibvorgang von der Graphomotorik und ist deshalb für den Schüler X mit einer graphomotorischen Störung in einem bestimmten Lernsetting eine grosse Hilfe und Motivation. Plötzlich werden seine Texte lesbar, es werden Partnerarbeiten mit dem eigenen Text möglich, sein Text wird am Inhalt gemessen und nicht wegen der «Sauschrift» abqualifiziert.

Ein Einsatz kann schliesslich auch in Bezug auf das Medium selbst erfolgen. Einerseits geht es um Medienwirkung, Medienkritik und Medienerziehung. Die Kinder und Jugendlichen sollen mit den neuen Medien kritisch, (selbst)verantwortlich und wirkungsvoll umgehen lernen. Ein Beispiel: In der Diskussion für oder wider Computer wird häufig mit einer Entweder-oder-Haltung argumentiert. Malen am Computer bedeutet dann: Ich male nur noch am Computer oder nur mit Wasserfarben. Dass gerade das Nebeneinander eine grosse pädagogische Wirkung haben kann, geht dabei vergessen. Es stellen sich doch wichtige Fragen wie: Welches Bild habe ich lieber gemalt, welches schneller, welche Wirkung hat das eine, welche das andere, für welchen Zweck kann ich diese Technik oder die andere besser einsetzen? Andererseits geht es um den rein technischen Einsatz, um das Wissen über den Aufbau des Computers und die Terminologie, das Setzen von Tabulatoren, die Tastaturbedienung, das Schneiden von Filmen und das Aufnehmen von Tönen sowie die Manipulation von digitalen Fotos ( http://www.ken.ch/fach/bg).

Mehrbelastungen und die Technikfalle

Weshalb wird der Computer trotz den bestehenden guten Angeboten im Durchschnitt noch nicht genügend in den Unterricht integriert? Zuerst einmal ist die Schule ein sehr komplexes, grosses und stark föderalistisch organisiertes Gebilde. Wie überall in grossen, komplexen Organisationen mit Tausenden von Mitarbeitenden braucht die flächendeckende Einführung von Neuem Geduld, Zeitgefässe, Energie und sehr viel Geld. Es entstehen bei Veränderungen neben Aufbruchstimmung auch Widerstände. Es braucht Motivation, Überzeugungsarbeit, Druck im Sinn von Verbindlichkeiten, damit nicht nur ein Teil der Lehrkräfte die Informatikintegration vollziehen. Der Schulalltag ist anspruchsvoller geworden. Einzelne Lehrkräfte sehen den Wert der Arbeit mit dem Computer in der Schule nicht, sie wird als zusätzliche Belastung empfunden. (DiskussionLangerWeg)

Die Verantwortlichen tappen in die Technikfalle.

DiskussionTechnikfalle

Obwohl die meisten Informatikkonzepte der Gemeinden pädagogische Überlegungen ins Zentrum stellen, passiert es immer wieder, dass bei der Umsetzung der Konzepte bei der Weiterbildung gespart wird. Weiterbildungen gehen zu stark von der Technik aus oder zielen einfach darauf, eine Software zu beherrschen. Die Vorstellung, wenn Hard- und Software zur Verfügung stehen, würden die Lehrkräfte dann schon sinnvollen Gebrauch davon machen, hat sich aber definitiv als unrealistisch erwiesen. Sinnvoll wäre es, vom pädagogischen Einsatz her zu planen und in die Weiterbildung zu investieren. Von den Finanzen bedeutet das ein Verhältnis von mindestens 1:5 zugunsten von Weiterbildung und Support gegenüber Hard- und Software. Die renommierte Gartner Group geht von Verhältnissen bis 1:10 aus.

Praxisnahe Kleinstarbeiten

(DiskussionPraxisnaheKleinstarbeiten)

Den Computer als pädagogisch sinnvolles Werkzeug einzusetzen, muss gelernt werden. Entsprechende pädagogische, methodisch-didaktische und organisatorische Konzepte müssen vermittelt, erprobt und dann auch umgesetzt werden. Das braucht Zeit und Energie. Die bestehenden Angebote sind aus finanziellen Gründen zu kurz, nächste Schritte fehlen. Das Interesse, die anfängliche Begeisterung und die guten Vorsätzen der meisten Lehrkräfte sind im Schulalltag schwierig durchzuhalten. Unterrichtsprojekte von Musterklassen und Musterlehrkräften, welche in der Presse oder an offiziellen Veranstaltungen gezeigt werden, sind häufig aufwendig und wirken für Lehrkräfte abschreckend. Viel besser sind praxisnahe Kleinstarbeiten am Computer, die von allen Lehrkräften im täglichen Unterricht eingebaut werden können.

Weil es noch nicht viel Software oder viele Angebote im Internet gibt, welche sich direkt an einem bestehenden Lehrmittel oder an den Bedürfnissen der Schule orientieren, sieht ein Teil der Lehrkräfte den Nutzen von Computern in der Schule noch nicht wirklich ein. (DisskussionSoftware) Er wird als technisches und deshalb unsoziales und unpädagogisches Mittel angesehen. Leider stimmt diese Argumentation dort, wo teure Geräte als Schreibmaschinen für Reinschriften oder als Beschäftigungsinstrument für die Schnellen missbraucht werden: Computer als Zückerchen für die Braven. Der Computer wird primär als Übungswerkzeug im behavioristischen Sinn gesehen oder als Mittel, um «schöne» Produkte herzustellen.

Zwei Angebote

Die Angebote PIA («Projekt Informatik-Animation») und AdA? ICT («Ausbildung der Ausbildenden im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien») sind ressourcenorientierte Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte. Der Kurs AdA? ICT wurde im Rahmen des PPP-Projekts des Bundes von der Pädagogischen Hochschule und der Fachhochschule Aargau in Zusammenarbeit mit ICT-Gymnet und der Zürcher Bildungsdirektion entwickelt.

Die Grundidee ist in beiden Kursen, dass die Teilnehmenden während der gesamten Zeit Inhalte der Weiterbildung in ihrem Schulfeld direkt umsetzen. Der Effekt für die beteiligte Schule setzt also schon während der Weiterbildung ein. Unterstützt wird der Veränderungsprozess durch gezielten Einsatz von Elementen aus Projektmanagement, Erwachsenenbildung, Animation und Coaching. Zu den Inhalten gehören praktische und theoretische Blöcke aus den Bereichen Medienpädagogik, Informatikdidaktik, -methodik, sinnvolle Organisationsformen, konkrete Unterrichtsbeispiele und Lerntheorie.

Am Ende der beiden Kurse haben in den Schulfeldern der Teilnehmenden bereits mehrere konkrete Projekte stattgefunden. Diese werden im Verlauf des Kurses auf der Schüler- und Erwachsenen-Ebene reflektiert, damit gewonnene Erkenntnisse in nächste Projekte einfliessen können. Einen weiteren zentralen Punkt der Weiterbildung bildet das Netzwerk der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Das Projekt Informatik-Animation PIA dagegen zielt mehr darauf, Lehrkräfte auszubilden, welche ihr Schulteam bei der Umsetzung der Informatikintegration unterstützen, sie motivieren und begleiten. Der Pilotlehrgang konnte im Dezember 2002 abgeschlossen werden. Die Form der Durchführung, eine Mischung von Präsenzveranstaltungen, E-Learning-Phasen und Coaching, Projektmanagement und Erwachsenenbildung, hat sich bewährt. Sehr positiv zu werten ist der Umstand, dass neben der vermehrten Integration des Computers in den Unterricht in allen Schulhäusern durch die Zusammenarbeit am Integrationsprojekt eine Teamentwicklung stattgefunden hat. Die befragten Lehrpersonen sagen aus, dass bei ihnen ein pädagogischer und technischer Kompetenzzuwachs stattgefunden hat. Das ist zwar eine subjektive Beurteilung, zeigt aber auf jeden Fall die Zunahme an Selbstvertrauen, einer Kernvoraussetzung in diesem Zusammenhang.

http://www.schulinformatik.ch, Aktuell, Abschlussberichte PIA 02

http://www.swisseduc.ch

http://www.ig-kurs.ch

http://www.unizh.ch/hlm/ascifu

http://www.educanet.ch

http://www.adaict.ch

http://www.klikt.ch

http://www.ictgymnet.ch


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Nun möchte ich dich noch höflich anfragen, ob ich deinen 
 Text "Vom Zückerchen zum täglichen Werkzeug" mit 
 Quellangabe verwenden darf? 

Lieber Andres 

Das darfst du gerne. 
Bis bald 

herzlich Peter 


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